Bei den Partnern galoppiert das Virus - Aids in der Ukraine

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Bei den Partnern galoppiert das Virus
Bochum, 25.08.2008 Tom Jost

Die Ukraine ist das osteuropäische Land mit der höchsten Aidsrate.Bochumer Einrichtungen schulen Sozialarbeiter aus Donezk

Freundschaftliche Beziehungen zwischen Bochum und gibt es schon seit mehr als 20 Jahren, Hilfeleistungen stets inbegriffen. Gegenwärtig läuft ein frisches Projekt, das man auf der Dringlichkeitsliste nicht sehr weit oben vermuten würde: die "Deutsch-Ukrainische Partnerschafts-Initiative zur Bekämpfung von HIV/Aids".

Und es ist nötig. Im Industrierevier Donezk-Donbass, wo aktuell etwa vier Mio Menschen leben, gibt es nach Kenntnis des "Freundschaftskreises BO-Donezk" mehr HIV-Infizierte als in ganz Deutschland (59 000). Die Krankheit breitet sich überproportional schnell aus, weil sie von den Betroffenen oft verschwiegen wird: In der weitgehend unaufgeklärten Gesellschaft wenden sich auch die eigenen Familien ab. "Und die Regierung interessiert sich nicht und kümmert sich nicht", kritisiert Tatjana Rjanskaja das Kabinett von Premierministerin Julija Timoschenko.

Die Donezkerin ist als Leiterin der dortigen Sozialstation mit einer Gruppe von Pflegekräften hält sie sich gerade für zwei Wochen in Bochum auf, um spezielles Wissen zu sammeln. Vordringlich geht es um die Pflege von Aids-Erkrankten, gleichermaßen aber auch um Aufklärung und Prävention.

"Unsere bisherigen Patienten waren Zwangsarbeiter, die im Krieg nach Deutschland verschleppt wurden", erzählt Sergej Gusev, "aber auch von denen hat der eine oder andere schon HIV-erkrankte Angehörige." Wie man sich fortan um sie kümmern kann, erfahren die Donezker in diesen Tagen beispielsweise auf der Infektionsstation im St.-Josef-Hospital, bei der Huren-Hilfe von "Madonna" oder bei der Drogentherapeutischen Ambulanz. Das Wissen soll sich schneeballartig verbreitern, denn daheim werden die so fortgebildeten Sozialarbeiter/innen selbst Schulungen leiten.

Das Projekt von "Freundeskreis Bochum" und "Freundeskreis Bochum-Donezk" gefiel auch dem Bundes-Gesundheitsministerium: Es unterstützt die Fortbildung mit 45 000 Euro - vorerst. "Man möchte schon sehen, dass sich die ukrainische Regierung stärker darum kümmert", weiß Astrid Platzmann-Scholten, die sich als Ärztin und Leiterin des Aids-Beratung im Kreis Recklinghausen quasi über die berufliche Schiene eingeklinkt hat. Es ist also noch offen, ob die Arbeit in 2009 fortgesetzt werden kann.

Nicht nur bei der Regierung ist Umdenken gefragt. "Homosexuelle Männer gibt es in der Ukraine per Definition einfach nicht", hat Platzmann vor Ort erfahren. Und eine andere gewichtige Institution verhalte sich in dieser Beziehung ähnlich weltfremd wie der Vatikan: "Auch die Orthodoxe Kirche lehnt die Benutzung von Kondomen ab."

Quelle: derwesten.de