Frauen für den Frieden 1990

Wir kommen aus der Innenstadt, vom Denkmal der "Trauernden Mutter", wo wir mit einer Mahnwache der osteuropäischen ZwangsarbeiterInnen gedachten, die während des Nazi Regimes und danach - in der Zeit von Oktober 1942 bis Juni 1945 - in Bochum zu Tode kamen. Ich lese die Namen der 35 Frauen, die hier auf den Gräberfeldern 19 und 34 begraben sind, und deren Namen wir auf diese Holzkreuze geschrieben haben.

 

Name

Beruf

  Geboren am    

   Geboren in        

   Gestorben am       

   Gestorben in     

  Begraben     

Abasarowa, Ina Arbeiterin 16.08.1922    Kasan 02.10.1943 Bochum Feld 34
Baronewskaja, Adelj Arbeiterin 26.08.1909 Gorodonk/ Kreis Prokurowsk 02.10.1943 Bochum Feld 34
Bojko, Nadeschda Arbeiterin 22.10.1923 Millerowa (Russland) 06.03.1945 Bochum Feld 34
Dgeterenko, Maria Arbeiterin 26.12.1923 Russland 19.02.1945 Bochum Feld 34
Dubowa, Lydia Zivilarbeiterin 15.10.1923 Saporoschje 14.03.1945 Bochum Feld 34
Fedrowa, Olga Arbeiterin 29.10.1926 Smolensk 15.03.1945 Bochum Feld 34
Fielabodschenko, Vera leerleer 17.12.1909 Skopieloka 02.10.1943 Bochum Feld 34
Gladawanez, Valentina Arbeiterin 07.02.1919 Rikow / Krs.Stalinsk 02.10.1943 Bochum Feld 34
Gusak, Maria Zivilarbeiterin 11.10.1920 leer 15.01.1945 Bochum Feld 34
Heidamavala, Raisa Zivilarbeiterin 15.03.1924 Debailzewo 15.06.1943 Bochum Feld 34
Herasimenko, Jekatarina Arbeiterin Nov 1923 Russland 03.07.1943 Bochum Feld 34
Isajewa, Nina Hilfsarbeiterin 27.11.1926 Mogilew 11.04.1945 Bochum Feld 34
Janina, Alexandrine leer 01.10.1925 Taganrog 14.03.1945 Bochum Feld 34
Klinowa, Wera Zivilarbeiterin 14.05.1925 Rostow 15.03.1945 Bochum Feld 34
Kolesnik, Olga Arbeiterin 10.12.1923 Nikolaewka 04.02.1943 Bochum Feld 34
Kubakowa, Anna leer leer leer 05.11.1941 Bochum Feld 34
Kulikowa, Nina Zivilarbeiterin 30.07.1926 Burlin 16.03.1943 Bochum Feld 34
Kusmenko, Anna Zivilarbeiterin 1912 Wtowtschenre 02.10.1945 Bochum Feld 34
Mairowa, Draskowija Arbeiterin 27.09.1923 Debalzew 02.10.1943 Bochum Feld 34
Majorenko, Anna Zivilarbeiterin 13.02.1927 Rostow 02.04.1945 Bochum Feld 34
Maresowa, Anna Zivilarbeiterin 1910 leer 21.04.1945 Bochum Feld 34
Mediwijowa, Galja Arbeiterin 01.03.1923 Michailowka 13.03.1945 Bochum Feld 34
Migorodskja, Anna Arbeiterin 01.03.1926 Bebivka 18.02.1945 Bochum Feld 34
Nikonowa, Maria Arbeiterin 17.02.1919 Melitopol 02.10.1943 Bochum Feld 34
Oliver, Sonja (Polin) leer 11.09.1926 Wilna 03.06.1945 Bochum Feld 34
Paluszek, Franviska (Polin) Zivilarbeiterin 07.02.1880 Krotoschin 10.05.1945 Bochum Feld 19
Rodusima, Paula Arbeiterin 1933 leer 17.05.1945 Bochum Feld 34
Romanowik, Katja Zivilarbeiterin 1917 leer 18.10.1942 Bochum Feld 19
Sawgirja, Anna Arbeiterin 1927 leer 02.04.1945 Bochum Feld 19
Schemikowa, Katja Zivilarbeiterin 1925   27.04.1945 Bochum Feld 34
Schwtschenko, Eugenie Zivilarbeiterin 30.12.1925 Rostow 10.04.1945 Bochum Feld 34
Sikewa, Walentina leerleer 20.02.1924 Ukraine 15.01.1945 Bochum Feld 19
Swjabinzow, Olga
geb. Swaginzlwa
leer 15.04.1923 Frejdorf / Krim 12.05.1943 Bochum Feld 34
Wartscheko, Maria Zivilarbeiterin 1925 leer 10.04.1945 Bochum Feld 34
Wikur, Anna Arbeiterin 1927 Russland 18.05.1945 Bochum Feld 34

 

Was kann an solchen Gräberfeldern eigentlich gesagt werden? Was kann das für ein Wort sein, das lauter spricht als die Stimme der Toten? Es ist ja nicht nur einfach die Trauer über Tote, die uns hier zusammenführt. Hier liegen ja nicht Menschen begraben, die nach einem erfüllten Leben im Kreis ihrer Familie und Freunde gestorben sind. In unser Gedenken, in unsere Trauer mischt sich Scham, mischt sich Bitterkeit und mischt sich Zorn, vielleicht ein stiller Zorn. Denn die Menschen, die hier liegen, auch die 35 teilweise sehr jungen Frauen, derer wir heute besonders gedenken, sie sind von ihren Menschenbrüdern und Menschenschwestern umgebracht worden. Nur wenige Namen kennen wir. Einige wenige, nämlich 34, habe ich genannt . Eine 16-Jährige, eine 18-Jährige oder eine junge Frau mit 23 oder 25 Jahren elend umgebracht, gestorben und begraben, ohne ein Leben gelebt zu haben, ohne Erfahrung von Liebe, ohne Erfahrung von menschlicher Gemeinschaft, fern von daheim, im fremden Land ausgeliefert der Gedankenlosigkeit oder der Brutalität.

Stumm werden davor ist eine Möglichkeit. Aber wir dürfen nicht verstummen, die Gefahr ist zu groß, dass diese Toten trotz aller Beteuerungen vergessen werden; dass ihr Tod verharmlost wird oder auch, wie wir es in unserem Land gerade wieder verstärkt erleben, dass diese Tausende, ja Millionen Tode verrechnet werden mit dem Tod anderer. Um der Toten und um der Lebenden willen dürfen wir nicht schweigen, sondern müssen reden, müssen Worte des Bekenntnisses und der Entschuldigung sagen. Dieses Reden, es muss sich verbinden mit dem Willen zu einem neuen Miteinander und mit der Arbeit für dieses Miteinander. Alles Gedenken dieser Toten, auch unser Gedenken an diese 34 Frauen, wäre eine Lüge und ein Betrug, wenn wir nicht alles tun würden, damit Menschen heute und morgen als Menschen in Frieden miteinander leben können. Und wir hoffen, dass dieses Gedenken, das Aufstellen der kleinen Holzkreuze mit den Namen der Frauen darauf und das Versöhnungspflanzen für alle Betroffenen einen Neuanfang ermöglicht.

Lasst uns die Kreuze so aufstellen, dass die Namen für die Vorübergehenden lesbar sind, erfahrbar werden.

Annemarie Grajetzky 09. März 1990 / Friedhof Freigrafendamm
Frauen für den Frieden in der evangelischen Kirche von Westfalen/ Gruppe Bochum